NETT? DAS IST DOCH NICHT NETT, DU IDIOT! DAS IST DOCH KUNST UND NICHT NETT!
So lässt Bertold Brecht die Hauptfigur seiner Dreigroschenoper, Macheath, - vielen besser bekannt als Mackie Messer (richtig, der mit dem Haifisch und den Zähnen) – die Mitglieder seiner Verbrecherbande anraunzen, als sie das schaurig-romantische Lied seiner Geliebten Polly Peachum als „NETT“ bezeichnen.
Und so ist das mit der gesamten Dreigroschenoper: Sie ist NICHT NETT – sie ist KUNST!
Die Inszenierung von Brechts wohl bekanntestem Stück, die wir am letzten Mittwoch im Staatstheater Nürnberg geboten bekamen, hat uns alle begeistert. Einen Grund liefert in wohl gewählten Worten das Programmheft zum Stück:

„Es gibt Theaterstücke, die sich kunstvoll verbergen und vom Zuschauer langsam und Szene für Szene entdeckt und entblättert werden wollen. Und es gibt welche, die sich vors Publikum stellen wie ein Exhibitionist, den Mantel aufreißen und alles herzeigen. Ein solches ist „Die Dreigroschenoper“. In diesem Stück gibt es kein Geheimnis und keine raffinierte Intrige. Seine Figuren haben keine Vergangenheit. Sie sagen, was sie denken, sie versuchen nicht, das zu verbergen, was sowieso offensichtlich ist: Die Welt ist verdorben, der Mensch ist schlecht, aber das Leben ist schön. Oder umgekehrt. Alles steht in jedem Augenblick für alle sichtbar auf der Bühne. Es ist Brechts Kunststück, dass seine Menschen trotzdem keine Klischees und Knallchargen sind, sondern dass wir sie in ihrer Unverschämtheit und Dreistigkeit mögen, sie verstehen und mit ihnen lachen.“
Ja, wir mochten sie – und wir mochten das Pferd, das die Nürnberger – ganz Brechts Tradition folgend – ins Stück montiert hatten und das steppend zum Publikumsliebling avancierte, obwohl wir es nicht verstanden und weil wir mit ihm lachten.
A propos Weill (diesmal der Kurt): Dessen Musik wurde durch die Nürnberger Inszenierung in den Mittelpunkt gerückt und durch grandiose Musiker und Schauspieler transportiert. Rezitative (also die Dialoge) wurden stark gekürzt, die Handlung spielte sich also hauptsächlich in den Songs ab, in den Arien, Duetten und Ensembles. „[In] Brechts rotzigen Texten und Weills genial simpler Musik, steht alles, was die Menschen der „Dreigroschenoper“ ausmacht, was sie wollen und wovon sie träumen. […]“ (aus dem Programmheft)
Die Handlung und die Charaktere des Stückes hatten die Schülerinnen und Schüler der beiden Deutschkurse im Unterricht bereits kennen gelernt, sie waren trotzdem (oder deswegen?) freiwillig mitgefahren. Was sie erlebten, war eine großartige Inszenierung, ein Bühnenbild, das quasi mit einem Handgriff in Bewegung gesetzt und während der Aufführung von den Schauspielern selbst geändert werden konnte und eine Besetzung, die fulminant spielte.
Nach der Aufführung kam im Bus das folgende Patchwork-Feedback zustande, an dem alle 22 Theaterbesucherinnen und -besucher mitwirkten und das wir Ihnen keinesfalls vorenthalten möchten:
„Einen rundum gelungenen Abend erlebten 20 ganz hartgesottene Q12er am Mittwoch in Nürnberg. Gemeinsam mit unseren beiden Deutschlehrerinnen besuchten wir „Die Dreigroschenoper“ von Bertold Brecht im Staatstheater Nürnberg, über die wir durch ein vorausgehendes Referat genauestens informiert waren. Die nahezu musicalartige Inszenierung hat uns alle begeistert. Im Opernhaus waren alle möglichen Altersgruppen anzutreffen. Brecht scheint – nein er ist – ein zeitloser Autor.
Das war übrigens gerade eine Montage, ein in der Moderne und vor allem von Brecht in seinem epischen Theater häufig genutztes gestalterisches Mittel. Wir erwähnen das, weil es auch in der Dreigroschenoper eingesetzt wurde (Das steppende Pferd und die besondere Bühnentechnik wurde ja oben schon erwähnt) und z.B. die Songtexte auf LED-Bildschirmen links und rechts der Bühne eingeblendet wurden.
So konnte ein angenehmer Ausflug an einem Mittwoch Abend uns unserem Deutsch-Abitur etwas näher bringen.“
Reaktion auf die Zeilen: „Das ist doch NETT, so kann das auf die Homepage.“ - Was Brecht dazu gesagt hätte? (siehe oben 😉)
S. Deml
